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Selbst- und Interessensvertretung zum Maßnahmenvollzug

~ Informationen zum österreichischen Maßnahmenvollzug für Betroffene, Angehörige und Interessierte

Kategorien-Archiv: Gutachten

Gerichten gehen die Gutachter aus

05 Mittwoch Okt 2016

Posted by markusdrechsler74 in § 21 Abs 1 - Unzurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher, §21/2, Gutachten, Gutachter, Maßnahmenvollzug

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Die Presse, Gutachten, Gutachter, Gutachter Massnahmenvollzug 21/2, Matthias Rant, Prognosegutachten

Capture.JPGDen Gerichten gehen die Gutachter aus: problematisch sei die Situation im Maßnahmenvollzug. Also bei Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung nicht in Haft kommen, sondern in eine Anstalt eingewiesen werden. Für diese müsse jährlich ein Gutachten erstellt werden, ob sie geheilt sind und entlassen werden können. Hier käme es aus Kostengründen oft zu Fließbandgutachten mit einer Untersuchungsdauer von teilweise nur zehn Minuten: „Wie soll ein Gutachter in nur zehn Minuten beurteilen, ob jemand jetzt ungefährlich ist. Dieses Risiko nimmt kein Gutachter auf sich, weshalb in diesen Fällen das Gutachten automatisch gegen eine Entlassung ist.“, so Matthias Rant, Präsident des Sachverständigenverbandes. (Die Presse, 5.10.2016)

Der ganze Artikel in der heutigen PRESSE

 

Der Rorschachtest: Ich seh, ich seh, was Du nicht siehst …

04 Dienstag Okt 2016

Posted by markusdrechsler74 in Gutachten, Gutachter, Maßnahmenvollzug

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Schlagwörter

Gutachten, Gutachter, Projektive Verfahren, Rorschach-Test, state-of-the-art

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rorschach1Der Rorschachtest, auch Tintenklecks-Test, ist wohl der bekannteste unter den psychologischen Testverfahren. Er wurde 1921 von dem Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Hermann Rorschach entwickelt. Er ist ein sogenannter „projektiver Test„, ein Test bei dem anhand der Tintenklecks-Bilder vom Probanden Interpretationen abgefragt werden und aus diesen Antworten sollen Rückschlüsse über seine Persönlichkeit ermöglichen werden.

Ein Fall aus der Praxis

Ein Untergebrachte im Maßnahmenvollzug, Johannes E. (Name von der Red. geändert), wunderte sich über ein Gutachten, dass zum Verfahren seiner bedingten Entlassung herangezogen wurde. In diesem Gutachten verwendete der Sachverständige Albert E.  (Name von der Red. geändert) den Rorschachtest um seine Befundung zu untermauern.

Johannes E. wollte nicht akzeptieren, dass eine derart veraltete und kontroverse Methode, bei der für ihn sehr wesentlichen Frage zur bedingten Entlassung, eingesetzt wird. Er erachtete das Gutachten an sich als nicht state-of-the-art und klagte den Gutachter mit folgender Begründung:

rorschach2

Eine Stellungnahme des Anwalts des beklagten Gutachters blieb nicht lange aus. So liest man dort:

rorschach3

So weit, so gut. Ergänzend brachte der Anwalt weiters vor:

rorschach4

An dieser Stelle darf sich der Leser fragen, weshalb der Anwalt als Begründung gerade die Ansicht der „Österreichischen Rorschach-Gesellschaft“ einbringt. Dass diese dem Testverfahren naturgemäß positiv gegenübersteht, ist nicht überraschend.

Im Zuge der Recherchen zum Rorschach-Test erhielten wir folgende Aufarbeitung der wissenschaftlichen Fakten und Kommentierung des Verfahrens eines angesehenen Psychologen und Gerichtssachverständigen (Name der Red. bekannt):

Von „Rorschach- Zauberern“, die 75% gesunder Probanden als „emotional
gestört“ beschreiben (Wood et al., 2003, S.259)

Der wissenschaftliche Stellenwert projektiver Verfahren (zu denen auch „der
Rorschach- Test“ zählt), lässt sich an den Vorlesungsverzeichnissen erkennen.
Im Wintersemester 2005/ 2006 wurden projektive Verfahren in 86% der
Ausbildungseinrichtungen für Diplompsychologen in Deutschland, Österreich
und der Schweiz mit keinem Wort erwähnt. Dementsprechend heißt es auch im Standardlehrbuch der „Psychologie der Persönlichkeit“ von Asendorpf (2005, S.214): „Projektive Tests sind eine äußerst umstrittene Methode der Persönlichkeitsmessung…„. Und in „Psychologische Diagnostik“ von Schmidt- Atzert & Amelang (2012) wird noch hinzugefügt, es handle sich um „einen psychometrischen Albtraum, also Verfahren mit völlig unzulänglichen Gütekriterien„. Der Rorschach- Test stimmt mit psychiatrischen Diagnosen nur schlecht überein (ebnd., S.304).

Seit der Publikation der 10 Rorschachtafeln z.B. auf Wikipedia, kann sich jeder Proband entsprechend vorbereiten. Die jahrzehntelange Behauptung, dass projektive Verfahren weniger Verfälschbar wären ist längst wiederlegt. Auch in den kommenden Jahren wird das Standardwerk: „Clinical assessment of malingering and deception“ (Roger, Richard, 3. Auflage, 2008) weltweit das Standardwerk der Beschwerdevalidierung darstellen (Goldstein, John; Jay College of Criminal Justice, City University of New York). Ebendort befasste sich Kenneth W. Sewell (2008, p. 207- 217) ausführlich mit der Fälschungssicherheit projektiver Verfahren.

Wenn nunmehr die Obfrau der österreichischen Rorschach Gesellschaft, Dr. Irmgard Slanar, eine Übersetzung des „Rorschach Arbeitsbuch für das Comprehensive System. Deutschsprachige Fassung des „A Rorschach Workbook for the Comprehensive System – Fifth Edition“ von John E. Exner Jr. 2010, vorlegt, so sind die von Sachverständiger Albert E. diesbezüglichen Internetausdrucke bestenfalls als Werbebroschüren zu bewerten. Das o.a. Lehrbuch „Psychologische Diagnostik“ von Schmidt- Atzert & Amelang (2012, S. 304, S.589), zitiert diese Übersetzung und stellt dennoch fest, dass der Versuch mit
dem Rorschach- Test Psychopathen zu erkennen enttäuschend ausfiel. Als Übungsfrage (Nr.: 56, S.309) wird nochmals festgehalten: „Wie gut ist der Rorschach- Test geeignet psychiatrische Störungen zu erkennen?“ (Antwort: s.o.). Die zusammenfassende Lehrbuchmeinung im Fachbereich Psychologische Diagnostik lautet (S. 308): „Psychometrisch völlig unzulängliches Verfahren„.

Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Klaus Kubinger von der Universität Wien stellt fest,
dass „unabhängig davon … dass die … in Kraft getretene DIN 33430 nur für Deutschland unmittelbar rechtskräftig ist, sich nur auf die berufsbezogene Eignungsdiagnostik beschränkt und nur für diejenigen zunächst gilt, welche in angekündigter Weise nach DIN vorgehen: Diese DIN 33430 ist die jeweils „nächste Rechtsnorm“ und wird daher in Streitfällen von Gerichten
herangezogen werden! Wissenschaftlich nicht nachvollziehbare Begutachtungen laufen dementsprechend in Zukunft Gefahr, gerichtlich aufgehoben zu werden.“ (Kubinger, 2004, S.93).

Das Konstrukt, auf das sich ein Test bezieht, sollte in einen theoretischen Rahmen eingebettet sein (Standards für pädagogisches und psychologisches Testen, 1998, S.11).

„Das Wahrnehmungsexperiment Rohrschachs (1921) ist nicht aus einer in sich stimmigen und empirisch untermauerten Persönlichkeitstheorie hervorgegangen“ (Wittkowski, 2011, S. 246). Ebendies trifft auch auf das „Comprehensive System“ (CS) von Exner zu. Das CS ist keineswegs ein methodisch stimmiges Messinstrument, da sich seine Reliabilität nur auf die zeitliche Stabilität, aber nicht auf die interne Konsistenz bezieht. Die Auswerterübereinstimmungen werden zwischen mäßig bis schlecht eingeschätzt. Die
„Befundlage zur kriterienbezogenen Validität des Rorschach- Tests“ erweist sich als „uneinheitlich und widersprüchlich„.

Mindeststandards für psychologische Untersuchungsverfahren
Grundsätzlich ist hierzu anzuführen, dass sich österreichische Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen haben, welche in den maßgeblichen
Fachkreisen „als zweifelsfrei richtig und zuverlässig anerkannt sind“ (Attlmayer & Wiesentreu, 2006, S.15). Nunmehr wird das Rorschach-Verfahren seit Jahrzehnten heiß umkämpft. Drenth (2008, S.537) spricht hierbei von pseudowissenschaftlichen Experten, welche ehemals populäre Verfahren oder Tests verwenden, deren Gültigkeit immer wieder in Frage gestellt wurde (Rorschach, Baumtest, Graphologie). Er spricht hierbei von Relikten aus dem Psychomuseum (2001, S. 216f).

Das Rorschach- Tintenklecks „Verfahren“ ist für eine Kriminalprognose weder valide, noch geeignet (vgl. BGH, Urt. vom 30. Juli 1999 -1 StR 618/98 – LG Ansbach, Boetticher et al., 2005, 2007, 2009, vgl. DIN-33430 als nächste Rechtsnorm).

Ein wesentlicher Faktor für die Qualität von Prognosegutachten ist die Eignung
und Validität psychologischer Tests (NStZ, 2006, S.542). Die vom Gutachter gewählte Untersuchungsmethode muss dem aktuellen Kenntnisstand gerecht werden (NStZ, 2006, S.540). Dementsprechend müssen „die Standards für pädagogisches und psychologisches Testen“ (Häcker et al., 1998) erfüllt sein. Der Stand der Wissenschaft bzgl. dem Rorschachtest ist in: Wood, James M.; Nezworski, M. Teresa; Lilienfeld, Scott O.: “What´s wrong with the Rorschach?: Science confronts the controversial inkblot test”, John Wiley & Sons, 2003 dargestellt.

„The Rorschach culture“ is „a belief system that mimics a minor religion“ (Wood et al, 2003, S.257): 

Selbst Befürworter wie Irving Weiner halten fest, dass das Rorschach- Tintenklecksverfahren, kein diagnostischer Test ist, hierfür nicht entwickelt wurde und somit als diagnostischer Test nicht gut funktioniert (Wood et al., 2003, p. 307).

Tatsächlich erwies sich die Suche nach neurotischen Zeichen als nur kurze und
keineswegs ruhmreiche Periode der Rorschachforschung (Wood et al., 2003, p.
109). Auch die österreichische Lehre in Bezug auf psychologisches
Diagnostizieren steht dem Rorschachtest „grundsätzlich äußerst kritisch“
gegenüber (Kubinger, 2009, S.277).

„Im Hinblick auf diagnostische Ansätze werden psychodynamische Konzeptionen meist mit projektiven Tests in Verbindung gebracht … Den projektiven Verfahren kommt in der Praxis … heute keine nennenswerte Rolle mehr zu: Wenn überhaupt, dann dienen sie weniger als Testverfahren zur Feststellung von Merkmalen und ihrer Ausprägung, sondern als Explorationshilfe, vor allem bei Kindern“ (Kubiak & Weber, 2006, S.69). „Projektive Verfahren werden also in der aktuellen psychologischen Diagnostik relativ kritisch gesehen, weil sie in Bezug auf die klassischen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität entweder kaum untersucht sind oder schlecht abschneiden. …Festzuhalten ist, dass sich projektive Verfahren als Kommunikationsstrategien gut eignen, jedoch nicht zur Persönlichkeits- oder Merkmalsdiagnostik im engeren Sinn verwendet werden sollten“ (Rentzsch & Schütz, 2009, S. 66).

Zusammenfassend wurde das „Rorschach Arbeitsbuch für das Comprehensive System“ 2010 auf Deutsch publiziert. Als nächste Qualitätsnorm wäre hier zweifelsfrei die DIN 33430 heranzuziehen. Stattdessen werden hier die amerikanischen Normen ohne Überprüfung herangezogen. Selbst ein Laie kann sich diesbezüglich auf Wikipedia informieren: „Beim Vergleich der normativen Daten des nordamerikanischen Exner-Systems mit europäischen oder südamerikanischen Testpersonen ergeben sich teils Unterschiede bei wichtigen Variablen, während z. B. die durchschnittliche Anzahl der Antworten gleich ist.Die Unterschiede bei der Qualität der Formen ist teilweise kulturell bedingt.„

Tatsächlich erzeugte ein massiver Fehler bei der Erstellung von den CS-Normen durch Exner ungenaue Eichstichproben- Ergebnisse. Mehr als 10 Jahre lang wurde behauptet, dass die Eichstichprobe aus 700 Datensätzen bestünde. Tatsächlich basierte sie auf 479 Probanden. Ein von Exner angestellter Techniker hat 700 verschiedene Fälle in das Statistikprogramm eingegeben, den falschen Knopf gedrückt und duplizierte hierdurch die 200 zuvor eingegebenen Fälle, anstelle von 200 Neuen (Wood et al., 2003, S.240f).

Welche Normen nunmehr in Österreich herangezogen werden ist unerheblich, solange keine deutschsprachige Normierung vorliegt, welche der DIN 33430 entspricht.

Weltweit gilt heute das eingehend validierte und replizierte Persönlichkeitsmodell der „Big Five“ oder des „5- Faktoren- Modells der Persönlichkeit“ (FFM) als das Persönlichkeitsparadigma (vgl. DSM-5, S.1062). Wer sohin die  Persönlichkeitsmerkmale von Häftlingen im Maßnahmenvollzug wissenschaftlich fundiert beschreiben will, dem stehen vielfältige Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Sicher ist, dass: „Spekulationen, esoterisches Wissen, usw.“ nicht in ein Sachverständigengutachten einfließen dürfen, „da hierdurch gegen das Prinzip der materiellen Wahrheit verstoßen würde“ (Attlmayr; 2006, S.15).

Nach Vorliegen aller Stellungnahmen und Schriftsätzen entschied das Gericht, dass nun ein Sachverständiger das Gutachten von Albert E. prüfen soll. Wir werden über den weiteren Verlauf der Verfahrens berichten.

Gerichtspsychiater spricht über Urteil in Graz

30 Freitag Sep 2016

Posted by markusdrechsler74 in Gutachten, Gutachter, Maßnahmenvollzug

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Schlagwörter

Amokfahrer Graz, Geschworenenprozess, LG Graz, ORF, Reinhard Haller, ZIB2

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(C) CommonLicence Wikipedia

Gerichtspsychiater Reinhard Haller spricht in der ZIB2 über die teils problematische Entscheidung der Geschworenen zum Amokfahrerprozess.

http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/1211/ZIB-2/13811428/Gerichtspsychiater-spricht-ueber-Urteil-in-Graz/13811485

Was läuft falsch im Maßnahmenvollzug?

20 Montag Jun 2016

Posted by markusdrechsler74 in §21/2, Gutachten, Gutachter, JA Mittersteig, Maßnahmenvollzug, Reform Maßnahmenvollzug, Zwangsbehandlung

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Schlagwörter

Haft, Maßnahmenvollzug, Markus Drechsler, Michael Watzinger, Mittersteig, psychische Folter, Unbegrenzte Haft

 

Ein Artikel den ich gemeinsam mit dem UG Michael Watzinger 2015 verfasst habe, heute genauso gültig wie damals!

Es ist ein Zeitgeist des Wegsperrens und der Pseudo-Sicherheit, der einen menschenrechtswidrigen Maßnahmenvollzug ermöglicht. Es wird Zeit sich damit auseinanderzusetzen!

Wie alles begann …

Vom innovativen und vom damaligen Zeitgeist beseelten Justizminister Christian Broda 1975 erschaffen, war das Ziel zu therapieren statt zu strafen. Das Konzept funktionierte anfangs gut, viele wurden vor Strafende bedingt mit Auflagen entlassen. Nach medial ausgeschlachteten und dramatischen Rückfällen wurde in den 1990er-Jahren das System Maßnahme überdacht und es wurde immer mehr zu einem Verwahrsystem in das immer mehr Menschen rein, aber nur wenige wieder rauskamen. So stiegen die Zahlen der Untergebrachten kontinuierlich an.

Manche sprechen heute von einem Zeitgeist des Wegsperrens und einer Pseudo-Sicherheit in einer Vollkasko-Gesellschaft. Rund 900 Betroffene gibt es mittlerweile, die mit dem längst überholten Begriffen „geistig abnorm“ bedacht, als psychisch krank oder rückfallsgefährdet in Anstalten und Gefängnissen untergebracht sind. In den vergangenen 12 Jahren hat sich ihre Zahl verdoppelt, es genügt eine Verurteilung zu sechs Monaten Haft, um in den Maßnahmenvollzug zu geraten, wo man jahrzehntelange untergebracht bleiben kann. Eine gefährliche Drohung mit dem Tod ist ein hinreichendes Anlassdelikt, bei dem eine kurze Strafe verhängt und eine sehr lange vorbeugende Maßnahme die Resultate sind.

Die Situation heute

Die heutige Situation des Straf‐ und Maßnahmenrechts zeigt, dass ein Übergang vom Schuldstrafrecht zum präventiven Wegsperren stattfand. Die Öffentlichkeit scheint nicht zu bemerken, dass es sich um einen Paradigmenwechsel handelt. Das Recht fragt nicht mehr danach was jemand getan hat und wie schwer seine Schuld wiegt. Die neue Frage lautet: Wie gefährlich ist dieser Mensch? Die Antwort müssen die Kenner der menschlichen Seele geben: die Psychiater und Psychologen.

Wir verlieren aus den Augen, dass sich ein solches Wegschließ-System von jenem einer Diktatur oder eines totalitären Staates nicht mehr grundlegend unterscheidet. Menschen verlieren ihre Freiheit, nicht weil sie etwas getan haben, sondern weil sie als gefährlich eingestuft werden, also weil sie in Zukunft etwas tun könnten. Das System beraubt uns unserer Zukunft und das Volk akzeptiert es widerstandslos, weil es institutionalisiert im Gewand der Wissenschaft daherkommt. Nur weil wir Menschen, die in den Gefängnissen und geschlossenen Anstalten auf Vorrat in Haft gehalten und zwangstherapiert werden, keine Stimme haben und nur schwer Gehör finden, funktioniert das System nach außen hin. Kaum je hat sich eine Gesellschaft für das Unrecht ihrer eigenen Zeit gekümmert, während sie sich immer wieder entschuldigt für das Unrecht vergangener Generationen – ein schwacher Trost für alle, die unter dem gegenwärtigen System leiden.

Massive Kritik gibt es auch an so manchen psychiatrischen Gutachten bei der Gefährlichkeitseinschätzung. Die Technik erlaubt es jetzt, tiefer in den Menschen zu dringen mit Hightech unter seine Schädeldecke zu kriechen. Gleichzeitig wird dem Volk vorgegaukelt, die Psychiatrie könne eine zuverlässige Gefährlichkeitsprognose über einen konkreten Menschen abgeben. Sie wird zur exakten Wissenschaft hochstilisiert, um zu rechtfertigen, dass Menschen aufgrund solcher Gutachten ihre Freiheit auf lange Jahre, auch für immer verlieren können. Gestützt durch Statistiken werden Checklisten erstellt und durch pseudowissenschaftliches Drumherum wird exaktes Wissen über zukünftiges Verhalten dieser Probanden vorgetäuscht. Dabei können die Prognose des menschlichen Verhaltens und die darauf basierenden Zwangsmaßnahmen immer nur eines sein: ein Blick in die Glaskugel der Wahrsagerin und kaltes technokratisches Ausschalten des als minderwertig oder mangelhaft erkannten Menschenmaterials. Wir haben diese Systeme in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aufs Schaurigste erlebt. Wieder scheinen sich Viele nach dieser Scheinsicherheit einer – diesmal nicht reinrassigen – aber wenigstens von gefährlichen, gestörten Persönlichkeiten gesäuberten Gesellschaft, zurückzusehnen. Das Problem eines solchen Systems ist es nicht, dass es immer wieder in Einzelfällen zu belegbaren Justizirrtümern kommen wird. Das Problem ist umfassender und ein Rückfall in überwunden geglaubte Abgründe. Die Psychiater und Psychologen, die sich unentbehrlich machen, den Rückfall ihrer Klienten vorauszusehen, sehen nicht einmal ihren eigenen Rückfall in schlimmes, ideologisches Denken und Handeln.

Wer trägt das jetzige System?

Man muss es klar sagen: Das System Maßnahme ist krank. Es handelt sich dabei aber nicht um einen Schnupfen oder eine Grippe. Nein, es handelt sich um eine Krankheit, die Menschen viele Lebensjahre kosten kann und manchmal sogar bis zum Tod andauert. Das perfide an dieser Krankheit ist aber, dass die sonst bei Krankheiten so erfolgreiche Medizin in der Maßnahme Teil der Krankheit ist. Die Mediziner treten als Psychiater in Erscheinung, die durch falsche, fahrlässige und auch einfach nur schlampige Gutachten die Grundlage für Einweisungen und Verlängerungen der Strafe darstellen. Die Justizanstalten wollen keine Verantwortung übernehmen und wachen daher rigide über Lockerungen und Entlassungsempfehlungen. Die zwischengeschaltete BEST (Begutachtungsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter) erstellt jährlich ein Gutachten nur an Hand des Akts bei dem die positiven Veränderungen natürlich nicht vorkommen können. Und selbstverständlich entlassen Gerichte auch nicht wenn keine Empfehlungen der Anstalt, des Gutachters und der BEST vorliegen. So wird die Verantwortung die mit einer möglichen Entlassung einhergeht hin- und her geschoben und keiner möchte dann bei einem immer möglichen Rückfall schuld daran sein.

Das kann beispielsweise dazu führen, dass ein junger Untergebrachter (verurteilt zu 18 Monaten) keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich nach zehn Jahren im Maßnahmenvollzug das Leben zu nehmen. Das führt auch dazu, dass Menschen im Maßnahmenvollzug hospitalisiert werden und erst als Pflegefälle die Anstalt verlassen.

 Menschenrechts- und verfassungswidrig

Der derzeitige Maßnahmenvollzug ist menschenrechts- und verfassungswidrig. Das Einsperren, ohne ein Entlassungsdatum zu kennen, ist schwerste psychische Folter!

Ebenso ein fragwürdiger Zustand ist die medikamentöse Zwangsbehandlung, das Niederspritzen von Betroffen, angeblich oft nur weil sie den Ärzten und Wärtern lästig seien.

Von der Basis unseres Freiheitsbegriffes

23 Mittwoch Mrz 2016

Posted by markusdrechsler74 in Gutachten

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Schlagwörter

Neos, Niki Scherak

Der NEOS-Justizsprecher, Niki Scherak, mit einem Kommentar zum Maßnahmenvollzug im Standard:

http://derstandard.at/2000033458753/Von-der-Basis-unseres-Freiheitsbegriffes

Psyche unter Verschluss

21 Sonntag Feb 2016

Posted by michaelbencza in §21/2, Gutachten, Gutachter, Maßnahmenvollzug

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

21/2, Gutachten, Gutachter, Maßnahmenvollzug

DER STANDARD berichtet in der gestrigen Print-Ausgabe von gravierenden Mängeln im Massnahmenvollzug. Es fehlt an Standards um Gutachten mit angemessener Qualität erstellen zu können. Ebenso mangelt es an einem Lehrstuhl für forensische Psychiatrie.

http://derstandard.at/2000031444267/Recht-psychisch-Maengel-bei-Gutachtern-in-Oesterreich

Maßnahmenvollzug: Österreichs heimliches Guantanamo

02 Montag Feb 2015

Posted by markusdrechsler74 in §21/2, Bundesministerium für Justiz, Gutachten, Gutachter, JA Mittersteig

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Schlagwörter

Guantanamo, Maßnahmen, Michael Bencza, Mittersteig

Der sogenannte Maßnahmenvollzug für besonders gefährliche Rechtsbrecher hat sich zum heimlichen Guantanamo entwickelt: Man kommt leicht hinein und kaum wieder hinaus. Schafft der Justizminister die Reform?

Michael Bencza, 36, holte die Bücher aus den Schachteln und schlichtete sie in Zweierreihen in die Holzregale: juristische Literatur, theologische Werke, jede Menge Thriller. Die Vorhänge fehlen noch, behaglicher als die Gefängniszelle am Mittersteig ist die winzige Erdgeschosswohnung im 16. Wiener Gemeindebezirk aber allemal. Nur an das Gitter vor dem Küchenfenster muss er sich noch gewöhnen. Er kann es nicht oft genug auf und zu machen. Er träumt es nicht, er ist wirklich frei.

Sechs Jahre Gefängnis hatte der Mann mit den platinblonden Haaren wegen eines Gewaltdelikts bekommen – und eine „Maßnahme“. Der Psychiater, der ihm zunächst nur eine „auffällige Persönlichkeitsstruktur“, aber keine höhergradige Abnormität attestiert hätte, änderte seine Meinung, nachdem Bencza mit einem anderen U-Häftling in Streit geraten war.

Edith Meinhard im PROFIL vom 2.2.2015

Weiterlesen: http://www.profil.at/oesterreich/justiz-oesterreichs-guantanamo-massnahmenvollzug-5448656

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